Politik und Theater Kopieren

Philipp Grimm

Ich bin kein Poli­tik­er. Ich bin Schaus­piel­er. Aber ich glaube, dass bei­de Berufe mehr Ähn­lichkeit­en haben, als man denkt.

Wenn ich darüber nach­denke, was Kul­tur und Demokratie miteinan­der zu tun haben, beginne ich bei mir selb­st und meinem Beruf des Schaus­piel­ers.

Ich habe das The­ater spie­len ange­fan­gen, weil es mir Spaß gemacht hat, in andere Fig­uren zu schlüpfen, unbekan­nte Wel­ten zu erkun­den, mich den wildesten Fan­tasien hinzugeben und gemein­sam mit anderen Men­schen auf der Bühne Geschicht­en zu erzählen, die berühren, ver­stören, lustig oder tragisch sein kön­nen. An Gren­zen zu stoßen, die mich Über­win­dung kosten, danach aber freier machen. In meinem Herzen. In meinem Kopf.

The­ater funk­tion­iert nicht ohne Pub­likum. Denn ich brauche jeman­den, dem ich diese Geschicht­en erzählen kann.

The­ater ist live, unmit­tel­bar und greift den Zuschauer direkt an. Es begeis­tert ihn, kann eupho­rische Gefühlsstürme aus­lösen oder lässt ihn kalt, weil er auf der Bühne etwas sieht und erzählt bekommt, zu dem er keinen Zugang find­et.

Wir The­ater­schaf­fende ver­suchen immer wieder aufs Neue gesellschaftliche Struk­turen offen­zule­gen, uns kri­tisch mit uns und unser­er Umwelt auseinan­derzuset­zen. Fra­gen zu stellen, Antworten zu find­en, nicht zu belehren, aber doch unsere Mei­n­ung laut kundzu­tun. Auch auf die Gefahr hin, dass es einige Zuschauer gibt, die empört den Saal ver­lassen, weil wir es gewagt haben, ihren Schiller oder Goethe zu ver­hun­zen. Ich erin­nere mich an eine Vorstel­lung, Kabale und Liebe, wo ein Zuschauer lau­thals brüllte: der arme Schiller, der arme Schiller, das hat der so nicht gemeint.

Oder Schüler+innen, die auf einen Büh­nen-Kuss so heftig mit Lachen reagiert haben, dass an ein Weit­er­spie­len für uns Spieler+innen nicht mehr zu denken war.

Her­mann Hesse schreibt: Wer geboren wer­den will, muss eine Welt zer­stören.

Ich will damit sagen, wir rüt­teln auf, emo­tion­al, an Altem, Ver­staubtem und lassen Neues entste­hen, treten für die Schwachen ein und verurteilen die Starken, zeigen eine weiche, men­schliche Seite an einem Hitler und was Abgrundtiefes und Hässlich­es an dem Gretchen. Hin­ter­fra­gen Sys­teme und Über­lebens­mech­a­nis­men, wollen poli­tisch sein, ohne die einen zu ver­graulen und die anderen zu bestäti­gen.

Für mich ist The­ater­spie­len und als Zuschauer ins The­ater gehen Demokratie.

Für mich ist Kul­tur und Demokratie nicht voneinan­der zu tren­nen.

Wir find­en her­aus, wie wir gemein­sam leben, leben wollen und welche Werte uns wichtig und unwichtig erscheinen.

Und das The­ater ist für mich nur ein Beispiel von gelebter Kul­tur. Ich finde sie auch an unzäh­lig vie­len anderen Orten, Kul­turein­rich­tun­gen, Bil­dungsstät­ten, ja selb­st in einem Café auf der Straße, in dem sich die Men­schen tre­f­fen, stre­it­en, lachen, disku­tieren und weinen. In ver­schiede­nen Sprachen. Aufgewach­sen in den unter­schiedlich­sten Kul­turen. Ein­fach miteinan­der sind und eine Gemein­schaft bilden, und wenn es nur auf eine Tasse Espres­so oder beim Blu­menkauf im Blu­men­laden ist.

Kul­turelle Vielfalt. Buntes Miteinan­der. Wir sind die Vie­len. Wir gren­zen nicht aus, son­dern laden ein. Wollen eine offene Gesellschaft, Jed­er und Jede ist willkom­men. Das sind alles großar­tige Vorhaben und Ziele, nur gestal­tet es sich in der Real­ität lei­der anders und ist prak­tisch nur schwierig umset­zbar.

Kul­tur ist für mich ein miteinan­der verbinden. Und ein zulassen aller Mei­n­un­gen, Ansicht­en und Werte. Denn wir sind einzi­gar­tige Indi­viduen, geprägt durch unsere ganz eigene Biografie, durch das Schick­sal oder das Glück und gewollte oder unfrei­willige Entschei­dun­gen. Manch­mal sind wir gezwun­gen so zu han­deln, wie es nicht ange­sagt ist oder der Main­stream es vorgibt.

Und das The­ater, die Kul­tur, ist für mich Bil­dung. Bil­dung ist notwendig, um unsere Demokratie zu schützen.

Ich will, dass es allen Men­schen möglich ist, die best­mögliche Bil­dung zu erlan­gen. Dafür brauchen wir ein flex­i­bleres, indi­vidu­ell zugeschnittenes Bil­dungssys­tem. Das in Bewe­gung kommt und bleibt. Bil­dung ist für mich Lebendigkeit.

Ich set­ze mich für eine Kul­turvielfalt ein, um die Demokratie weit­er wach­sen zu lassen und dafür brauche ich alle Men­schen, egal mit welchem sozialen Sta­tus, mit welchem Bil­dungsab­schluss, mit welch­er Biografie. Ich set­zte mich für Orte und Räume ein, an denen Men­schen unter­schiedlichen Alters zusam­menkom­men kön­nen, um gemein­sam über das Leben, dass wir leben wollen nachzu­denken, um Pläne zu erstellen, es prak­tisch umset­zen zu kön­nen. Für Orte, an denen wir uns unter­hal­ten lassen, lachen und weinen kön­nen. Zum Nach­denken und Abschal­ten angeregt wer­den.

Ich set­zte mich für Bürg­erzen­tren und Gemein­de­häuser, für ver­rauchte Eck­kneipen und Kinos, für den Skater­platz und die Park­bank ein.

Ich will, dass Kul­tur und Bil­dung für alle zugänglich ist.

Ich bin motiviert und habe Bock, mich für diese The­men einzuset­zen. Vor allem da, wo sie nicht selb­stver­ständlich sind, ja sog­ar über­haupt keinen Platz im All­t­ag und Leben der Men­schen find­en. Weshalb ich es toll finde, für den Wahlkreis 46 zu kan­di­dieren.